Die IT-Mitbestimmung ist in vielen Unternehmen seit Jahren Auslöser für Konflikte. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Arbeitgeber* haben ein Interesse daran, Digitalisierungsvorhaben zügig umzusetzen. Insbesondere in multinationalen Konzernen ist der Druck besonders hoch, um im (internen) internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren und sich auch künftig Investitionen in Deutschland zu sichern.
Betriebsräte fokussieren sich wiederum häufig nicht auf den Kern der Mitbestimmung – nämlich die Frage der Verhaltens- und Leistungskontrollen – sondern sie wollen eine umfassende datenschutzrechtliche Prüfung von IT-Systemen vornehmen. Hinzu kommt die Sorge vor einer Überforderung der Mitarbeitenden bzw. vor einem Verlust des Arbeitsplatzes infolge der Digitalisierung. Verkompliziert wird diese Gemengelage durch fehlende höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer Vielzahl von Einzelfragen mit Blick auf die Reichweite des Mitbestimmungsrechts aus § 87 I Nr. 6 BetrVG.
Hinzu kommt neuerdings eine weitere Dimension, nämlich die Einführung von KI-Systemen bzw. IT-Systemen, welche KI-Komponenten enthalten. Prominentes Beispiel hierfür ist das Microsoft Produkt Copilot für M365. In Teams ermöglicht Copilot beispielsweise die Erstellung von Besprechungsprotokollen. In MS Word können Dokumente zusammengefasst oder Entwürfe vorgeschlagen werden. Es handelt sich somit um hilfreiche Funktionen, die in der betrieblichen Praxis allerdings aufgrund ihrer Bezeichnung als „Künstliche Intelligenz“ häufig Abwehrreaktionen des Betriebsrats auslösen. Das Misstrauen ist zuweilen groß.
Vorgaben des BetrVG zur Einführung von KI
Ausgangspunkt ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 I Nr. 6 BetrVG. Dieses wird regelmäßig dann eröffnet sein, wenn eigenständige KI-Systeme eingeführt werden sollen oder aber, wenn in ein IT-System KI-Komponenten integriert sind.
Mit Blick auf die Verhandlungen mit dem Betriebsrat ändert sich auch in diesem Fall zunächst einmal nichts. Im Rahmen der Verhandlungen zu § 87 I Nr. 6 BetrVG müssten die Betriebsparteien klären, welche Verhaltens- und Leistungskontrollen das IT-System und ihre KI-Funktionen ermöglichen und welche für zulässig erachtet werden. Auf MS Copilot zurückkommend stellt sich also bspw. die Frage, inwieweit die Betriebsparteien die Möglichkeit der Erstellung von Besprechungsprotokollen für zweckmäßig erachten. Vergleichbar hiermit ist bspw. die Aufzeichnungsfunktion in Teams. In der betrieblichen Praxis haben sich die Betriebsparteien diesbezüglich häufig auf eine vorherige Information der Teilnehmer des Meetings und eine aktive Widerspruchsmöglichkeit verständigt. Ähnliches wäre auch mit Blick auf die Funktionen von Copilot denkbar.
Im Rahmen der Verhandlungen zu
lässt sich zugleich auch das Beteiligungsrecht des Betriebsrats aus
abarbeiten. Ermöglicht oder unterstützt ein KI-System die Aufstellung von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen („Auswahlrichtlinien“), ist zusätzlich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus
zu berücksichtigen. In derartigen Fällen bietet es sich also an, die Verhandlungen zu
mit den Verhandlungen zu
zu verknüpfen.
Neue Anforderungen nach Maßgabe der KI-Verordnung
Schließlich tritt in Kürze die KI-Verordnung in Kraft. Danach gelten Arbeitgeber als „Betreiber“, wenn sie fremdentwickelte KI-Systeme in eigener Verantwortung verwenden (Art. 3 Nr. 4 KI-VO). Insbesondere KI-Systeme im Personalwesen, die bspw. für das Bewerbermanagement eingesetzt werden oder die die Bedingungen von Arbeitsverhältnissen beeinflussen, gelten nach der KI-Verordnung als so genannte Hochrisiko-KI-Systeme (vgl. Art. 6 II i.V.m. Anhang III Nr. 4 KI-VO), die für Betreiber eine Vielzahl von weiteren Pflichten auslösen (vgl. Art. 26 KI-VO). Danach hat der Arbeitgeber u.a. die Arbeitnehmer und die Arbeitnehmervertreter – also den Betriebsrat – darüber zu informieren, dass sie der Verwendung des Hochrisiko-KI-Systems unterliegen werden. Diese Informationspflichten ließen sich ohne Weiteres im Rahmen der ohnehin erforderlichen Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 6 BetrVG erfüllen. Weitergehende Beteiligungsrechte des Betriebsrats enthält die KI-Verordnung demgegenüber nicht.
To dos im Rahmen der Verhandlungsvorbereitung
KI ist kein Hexenwerk. KI ist häufig ein Hilfsmittel zur Spracherkennung, zur Schriftanalyse oder zur Entscheidungsfindung. Mit Blick auf Letzteres werden Daten unter Rückgriff auf Zusammenhänge und Muster miteinander verknüpft, um die Entscheidung zu unterstützen. Mögliche Anwendungsfälle finden sich beispielsweise im gesamten Zyklus des Personalmanagements, von der Bewerbung über die Beförderung bis zur Entlassung. Im Mittelpunkt der Verhandlungen mit dem Betriebsrat stehen dabei die (erzwingbaren) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 I Nr. 6 und § 95 BetrVG.
Mit Blick auf die IT-Mitbestimmung müssten Arbeitgeber also – wie auch sonst für IT-Systeme – ermitteln, ob und wenn ja welche Verhaltens- und Leistungskontrollen durch die Nutzung des KI-Systems bzw. die KI-Komponente möglich sind und welche Verhaltens- und Leistungskontrollen sie tatsächlich nutzen wollen. Bspw. würde die automatisierte Erstellung eines Besprechungsprotokolls durch Copilot auf technischem Wege erkennbar machen, welcher Besprechungsteilnehmer welche Aussage getroffen hat. Sein Verhalten würde also – auch für Dritte – auf technischem Wege nachvollziehbar sein.
Stehen Auswahlrichtlinien in Rede, müsste der Arbeitgeber erläutern können, welche Datensätze der KI zugrunde liegen und dazu sprechfähig sein, dass diese Daten nicht mit Vorurteilen („algorithmic biases“) behaftet sind, welche das Risiko von rechtswidrigen Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beinhalten. Dies wird sicher mit weitergehendem Aufwand im Rahmen der Verhandlungsvorbereitung verbunden sein. Ebenso wie die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben muss der Arbeitgeber aber auch die Erfüllung sonstiger gesetzlicher Verpflichtungen sicherstellen.
Lösungsansatz Duldungsvereinbarung und KI-Richtlinie
Künstliche Intelligenz wird sich durchsetzen. Die Lösung für die betriebliche Praxis wird auf Dauer daher nicht sein, etwaigen Verlangen von Betriebsräten nachzugeben, KI-Systeme bzw. KI-Komponenten nicht zu nutzen. Vielmehr sollten die Betriebsparteien gemeinsam die Chancen und Vorteile der Nutzung von Künstlicher Intelligenz erkennen. Um dem Rechnung zu tragen, bietet es sich vor dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung an, sich auf eine Duldungsvereinbarung zur Einführung der Künstlichen Intelligenz zu verständigen, welche Regelungen über ein Monitoring der Anwendung durch eine gebildete Expertengruppe bzw. Auditrechte für den Betriebsrat beinhaltet. Der Duldungszeitraum wäre hierbei festzuschreiben, so dass erst nach diesem Zeitraum über den Abschluss einer unbefristeten Betriebsvereinbarung verhandelt würde. Diese Vorgehensweise eröffnete den Betriebsparteien die Möglichkeit, im Zuge der Anwendung der Künstlichen Intelligenz etwaige Risiken und damit regelungsbedürftige Punkte zu identifizieren und Vertrauen in die Anwendung zu schaffen. Hierbei ist es denkbar, dass seitens der Betriebsparteien organisatorisch sinnvolle Maßnahmen, wie z.B. Anwendungsvorgaben für die Nutzer der KI, identifiziert werden, die in einer seitens des Arbeitgebers vorgegebenen KI-Richtlinie festgelegt werden. Denkbar wäre auch, derartige organisatorische Maßnahmen (freiwillig) zum Bestandteil einer Betriebsvereinbarung zu machen.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.
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