Unternehmen sehen sich regelmäßig mit dem Erfordernis konfrontiert, interne Ermittlungen durchführen zu müssen. Sei es, weil Meldungen über ein Hinweisgebersystem eingehen oder dem Arbeitgeber* auf anderem Wege individuelle Pflichtverletzungen zur Kenntnis gelangen. In jedem Fall sollte der Arbeitgeber bei nicht offensichtlich haltlosen Hinweisen tätig werden und die erhobenen Vorwürfe prüfen. Dazu ist er im Falle von Straftaten oder sonstigen Rechtsverstößen durch Arbeitnehmer auch verpflichtet, wie etwa im Falle des Verdachts auf sexuelle Belästigung.
Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Compliance (DICO) aus dem Jahr 2022 führen Unternehmen interne Ermittlungen in der Regel eigenständig durch.
Bei umfangreichen und komplexen Untersuchungen wird jedoch externe Unterstützung eingebunden. Dies ist insbesondere in sensiblen Fällen – etwa bei strafrechtlich relevanten Sachverhalten oder Ermittlungen gegen Mitglieder der Führungsebene – sinnvoll. Nicht nur verfügen externe Experten in aller Regel über größere Kapazitäten und umfangreiche Erfahrungen in verschiedensten Ermittlungssachverhalten; sie sind insbesondere nicht durch interne Dynamiken oder persönliche Beziehungen beeinflusst sind. Aber auch wenn Untersuchungen – jedenfalls zunächst – intern durchgeführt werden, sind Unternehmen gut beraten, wenn für solche Fälle bereits ein Fahrplan vorliegt. Erfahrungsgemäß sind interne Untersuchungen aufgrund der Beweissicherung sowie der im Arbeitsrecht geltenden Kündigungserklärungsfrist häufig besonders zeitkritisch.
Gute Vorbereitung ist das A und O
Die Durchführung interner Untersuchungen erfordert indes eine gewisse Vorbereitung, und zwar idealerweise, bevor eine solche Untersuchung überhaupt angestoßen werden muss. Die einzelnen Untersuchungsschritte sollten vorab aufeinander abgestimmt und Verantwortlichkeiten festgelegt werden. So kann ein reibungsloser Ablauf sichergestellt und ein etwaiger Zeitverlust vermieden werden. Letzterem kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn als Konsequenz einer internen Untersuchung arbeitsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Dies betrifft insbesondere den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, bei der die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB einzuhalten ist. Eine gute Vorbereitung sichert aber auch eine bestimmte Qualität der Untersuchungsergebnisse und bietet einen Rahmen für ein durchdachtes und planvolles Vorgehen, statt unkoordiniertem Aktionismus.
Keine gesetzlichen Vorgaben
Es existieren keine gesetzlichen Vorgaben zum Ablauf einer internen Untersuchung. Allerdings können einzelne Maßnahmen im Rahmen einer internen Untersuchung gesetzlichen Vorgaben, insbesondere aus dem Hinweisgeberschutzgesetz und dem Datenschutzrecht unterliegen. Sofern ein Betriebsrat besteht, sind auch dessen Beteiligungsrechte zu berücksichtigen.
How to prepare best
Selbstverständlich ist es nicht möglich, jede Eventualität einer internen Untersuchung vorherzusehen und für jede Situation schon die passende Lösung in der Schublade zu haben. Dennoch können Unternehmen im Vorfeld einige grundlegende Maßnahmen ergreifen, um einen möglichst reibungslosen Ablauf einer internen Untersuchung zu gewährleisten.
Klare Zuständigkeiten
Ein absolutes Muss ist die Festlegung klarer Zuständigkeiten. Es sollte unbedingt bereits im Vorhinein geklärt werden, welche Abteilung – gegebenenfalls auch abhängig vom Untersuchungsgegenstand – die interne Untersuchung durchführen soll. Denkbar wäre z.B. die Zuständigkeit der Compliance- oder Rechtsabteilung, der Geschäftsleitung oder der Revision. Dabei versteht sich von selbst, dass es im Rahmen laufender Untersuchungen zu Fragestellungen kommen kann, bei denen die jeweilige Fachabteilung, z.B. die Steuer- oder IT-Abteilung hinzugezogen werden muss.
Bei der Zusammensetzung der „Untersuchungsgruppe“ muss aus arbeitsrechtlicher Sicht insbesondere die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB im Blick behalten werden. Denn obwohl Maßnahmen des Unternehmens zur Aufklärung des Sachverhalts den Ablauf der Kündigungserklärungsfrist hemmen können, bleibt für die Berechnung der Zwei-Wochen-Frist und damit für den fristgerechten Ausspruch einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung grundsätzlich die Kenntnis des Kündigungsberechtigten von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen maßgeblich. Liegt die Zuständigkeit für die Durchführung interner Untersuchungen (auch) bei einem Kündigungsberechtigten, ist dessen Kenntnis für den Beginn der Kündigungserklärungsfrist maßgeblich. Es kann sich daher anbieten, die Ermittlungen von Personen durchzuführen zu lassen, die nicht kündigungsberechtigt sind. Denn die Kenntnis von Personen, die selbst keine Kündigung erklären können, muss sich der Arbeitgeber nur ausnahmsweise zurechnen lassen (so LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 3. November 2021 – 10 Sa 7/21).
Fristenmanagement
Hand in Hand mit der Frage der Zuständigkeit geht die Aufstellung eines funktionierenden Fristenmanagements einher. Es ist wichtig sicherzustellen, dass alle relevanten Fristen wie beispielsweise die Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB oder die Stellungnahmefrist des Betriebsrats nach § 102 BetrVG sowie die einwöchige Frist zur Anhörung eines Arbeitnehmers im Rahmen einer möglichen Verdachtskündigung einkalkuliert werden. Ebenso müssen behördliche Äußerungsfristen bzw. Meldefristen, beispielsweise nach Art. 33 DSGVO, notiert, überwacht und eingehalten werden.
Prüfung bestehender Beteiligungsrechte des Betriebsrats
Wenngleich eine interne Untersuchung an sich keine Beteiligungsrechte des Betriebsrats auslöst, können einzelne Ermittlungsmaßnahmen durchaus eine Beteiligung des Betriebsrats erforderlich machen. Häufig werden Spind- und/oder Taschenkontrollen vorgesehen, das Büro oder der Schreibtisch durchsucht, Mitarbeiter befragt, PC-Daten ausgewertet, E-Mails und Geschäftsunterlagen durchgesehen oder Testeinkäufe durchgeführt. In all diesen Fällen können Beteiligungsrechte des Betriebsrats (BAG, Urteil v. 13. Dezember 2007 – 2 AZR 537/06) bestehen, die es im Einzelfall zu beachten gilt.
Nicht selten ähneln sich Ermittlungsmaßnahmen. Denkbar ist es daher, für bestimmte (in aller Regel) wiederkehrende Ermittlungsmaßnahmen mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, die z.B. Verfahrensregelungen wie die Hinzuziehung von Zeugen oder die Abfassung eines schriftlichen Protokolls für die konkrete Ermittlungsmaßnahme vorsieht. Da im Rahmen von internen Untersuchungen durchaus Eile geboten sein kann, können die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarungen auch festlegen, dass dem Arbeitgeber in Not- und Eilfällen bestimmte Handlungsspielräume zugestanden werden, um einseitig und ohne Genehmigung des Betriebsrates tätig zu werden (BAG, Beschluss v. 23. März 2021 – 1 ABR 31/19).
Erstellung von Mustern
Schließlich kann es sich anbieten, für bestimmte Situationen Muster zu erstellen und vorzuhalten. Hier ist z.B. an die Einladung zu einem Personalgespräch oder zur Anhörung eines Arbeitnehmers zur Vorbereitung einer Verdachtskündigung zu denken. Auch ein Grundmuster für eine Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch einer Kündigung nach § 102 BetrVG kann bereits im Vorfeld entworfen werden. Der Sachverhalt und die Ermittlungsergebnisse sind dann nach Abschluss der Ermittlungen zwar noch zu ergänzen. Ein solches Muster kann aber helfen, im Ernstfall und unter Zeitdruck Flüchtigkeitsfehler insbesondere mit Blick auf die zwingend im Anhörungsschreiben zu machenden Angaben zu vermeiden.
Schließlich können Muster zur Dokumentation der Ermittlungsergebnisse, z.B. Protokoll einer Mitarbeiterbefragung oder einer Taschenkontrolle vorbereitet werden. Eine solche Dokumentation ist für das Unternehmen von enormer Bedeutung, vor allem, wenn die interne Untersuchung zum Ausspruch einer Kündigung führt. Denn in diesem Fall trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Kündigungsgrundes.
Vorbereitung ist die halbe Miete
Interne Untersuchungen sind nicht selten zeitaufwändig und können im Einzelfall durchaus komplex sein. Wichtig ist es, nicht in einen unkoordinierten Aktionismus zu verfallen. Es sollten daher bereits im Vorfeld strukturierte Prozesse aufgesetzt und Vorbereitungen getroffen werden. So können gerade bei Zeitdruck oder emotional aufgeladenen Situationen Fehler vermieden werden. Außerdem bleibt bei einer guten Vorbereitung ausreichend Zeit und Ressourcen mit Unvorhergesehenem umzugehen.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.
Dieser Beitrag wurde zuerst auf dem CMS-Blog veröffentlicht.