Dem seit einigen Jahren zu beobachtenden gesamtgesellschaftlichen Trend einer sinkenden Raucherquote lässt sich die konstant steigende Zahl junger Raucher gegenüberstellen. Das Thema Rauchen ist daher weiterhin ein fester Bestandteil im Arbeitsleben. Viele Arbeitgeber stehen vor der Frage, wie sie mit dem Thema Rauchen und Raucherpausen umgehen sollen. Hat sich ein Arbeitgeber, gegebenenfalls auch unter Beteiligung des Betriebsrates, zu einer Arbeitszeiterfassung per Stempelkarte entschieden und besteht eine Pflicht, sich für Pausen auszustempeln, müssen sich Arbeitnehmer auch daran halten.
Erfassen Arbeitnehmer die Dauer ihrer Pause nicht, obwohl sie hierzu bspw. durch eine Betriebsvereinbarung verpflichtet sind, liegt regelmäßig ein Arbeitszeitbetrug vor, der grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen kann. Der Arbeitgeber wird über die Arbeitszeit getäuscht, wodurch er veranlasst wird, Entgelt zu zahlen, ohne die hierfür geschuldete Arbeitsleistung – die Hauptpflicht des Arbeitnehmers – erhalten zu haben. Abgesehen von einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz kommt es arbeitsrechtlich auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an. Immerhin bringt der Arbeitgeber den Arbeitnehmern, denen er es überlässt, ihre Arbeitszeit selbst zu dokumentieren, einen erheblichen Vertrauensvorschuss entgegen.
In zwei aktuellen Entscheidungen zu ähnlich gelagerten Sachverhalten hat sich das Arbeitsgericht München (ArbG München 22. Januar 2024 – 3 Ca 7542/23 und 22. Januar 2024 – 3 Ca 7544/23) mit der Frage auseinandergesetzt, welche Konsequenzen Arbeitnehmern drohen, wenn sie ihre Pausenzeiten entgegen einer bestehenden Verpflichtung nicht erfassen.
Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts München
Im Betrieb der beklagten Arbeitgeberin bestand eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, nach der jeder Mitarbeiter eine codierte Chipkarte erhält und sich bei Betreten und Verlassen des Betriebs sowie für Pausen ein- bzw. ausstempeln muss. Lediglich Arbeitsunterbrechungen bei Toilettengängen sollten nicht erfasst werden. Über das Erfordernis des Ausstempelns bei Raucherpausen waren die Kläger durch eine Mitarbeiterversammlung, Schulungen sowie bereitgestelltes Material unterrichtet worden. Die beiden Kläger arbeiteten in der Produktion der Beklagten und machten nachweislich an drei bis vier aufeinanderfolgenden Tagen jeweils rund 15 Raucherpausen, ohne sich für diese Pausen ordnungsgemäß auszustempeln. Die Beklagte sprach nach Bekanntwerden dieses Umstands und ohne vorherige Abmahnungen außerordentlich fristlose (Tat-)Kündigungen gegenüber beiden Klägern aus. Die Kläger rechtfertigten das Nicht-Ausstempeln ihrer Raucherpausen damit, dass sie während des Rauchens Arbeitsgespräche geführt hätten.
Das Arbeitsgericht München stellte die Wirksamkeit der beiden außerordentlichen Kündigungen fest. Die beiden Kläger hätten die Beklagte vorsätzlich veranlasst, ihnen Entgelt zu zahlen, ohne im Gegenzug die geschuldete Arbeitsleitung erbracht zu haben. Die Erbringung der Arbeitsleistung stelle die Hauptpflicht eines Arbeitnehmers dar. Verstöße in diesem Bereich berührten daher den Kernbereich des gegenseitigen Austauschverhältnisses. Die Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Arbeitszeiterfassung stelle einen wichtigen Grund an sich dar, der zu einer außerordentlichen Kündigung berechtige.
Eine vorherige Abmahnung der Kläger war entbehrlich. Die über das Erfordernis des Ausstempelns von Raucherpausen hinreichend unterrichteten Kläger hatten sich bewusst in einer Vielzahl an Pausen nicht ausgestempelt. Ein solches Verhalten begründe erhebliche Verstöße im Kernbereich des gegenseitigen Austauschverhältnisses, bei denen die Kläger nicht damit rechnen konnten, dass die Beklagte diese sanktionslos hinnehmen werde. Dies gelte insbesondere in Anbetracht der hohen Anzahl an Verstößen.
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ließ das Arbeitsgericht München die Belange der Beklagten überwiegen. Gerade das wiederholte Nicht-Ausstempeln stelle eine Täuschung mit finanziellen Folgen für die Beklagte dar, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertige.
Ein Blick auf die bisherige Rechtsprechung zum Arbeitszeitbetrug
Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts München reihen sich nahtlos in die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung ein. So geht das Bundesarbeitsgericht in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen (vgl. BAG 26. September 2013 – 2 AZR 682/12; BAG 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18; BAG 9. Juni 2011 − 2 AZR 381/10). Berücksichtigt wird dabei im Besonderen der Umstand, dass Arbeitgeber die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter nur schwer selbst kontrollieren können. Vielmehr müssen sie auf die ordnungsgemäße Dokumentation der Arbeitszeit durch die Arbeitnehmer vertrauen können. Falsche Arbeitszeiterfassung stellt daher einen schweren Vertrauensmissbrauch dar und erschüttert den Kernbereich des gegenseitigen Austauschverhältnisses (LAG Rheinland-Pfalz. 6. Mai 2010 – 10 Sa 712/09). In der Rechtsprechung ging es bisher häufig um Fälle, in denen Arbeitnehmer wiederholt Pausen erheblich überzogen oder beharrlich ihre Arbeitszeiten falsch dokumentiert haben und daher ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB an sich gegeben war (vgl. LAG Thüringen, 3. Mai 2022 – 1 Sa 18/21; LAG Hessen 24. November 2010 – 8 Sa 491/10). In diesen Fällen fiel die erforderliche Interessenabwägung zulasten der betroffenen Arbeitnehmer aus. Der mit der vorsätzlich falschen Erfassung der Arbeitszeiten einhergehende erhebliche Vertrauensverlust wiegt regelmäßig besonders schwer. Dies gilt selbst dann, wenn eine Wiederholungsgefahr durch Herausnahme des Arbeitnehmers aus der Gleitzeitregelung ausgeschlossen werden könnte (vgl. LAG Niedersachsen 18. Januar 2010 − 9 Sa 1913/08; BAG 9. Juni 2011 − 2 AZR 381/10).
Die Rechtsprechung hat in vielen Fällen eine vorherige Abmahnung der jeweiligen Arbeitnehmer bei vorsätzlichem Arbeitszeitbetrug für entbehrlich gehalten (vgl. BAG 9. Juni 2011 − 2 AZR 381/10; LAG Niedersachsen 18. Januar 2010 − 9 Sa 1913/08). Nur bei einmaligem Nichtausstempeln in der Pause für nur wenige Minuten und einer dadurch entstandenen Überzahlung an Arbeitsentgelt in Höhe von EUR 0,80 bei ansonsten beanstandungsfreiem Arbeitsverhältnis wurde allerdings eine vorherige Abmahnung für erforderlich gehalten (LAG Köln 13. April 2011 – 9 Sa 1320/10).
In einer Vielzahl an Konstellationen haben Arbeitnehmer vergeblich versucht, (bezahlte) Raucherpausen zu rechtfertigen: Es mag absurd klingen, aber es wurde entschieden, dass eine Nikotinabhängigkeit jedenfalls nicht für eine Exkulpation reicht, denn sie hindert nicht am Ausstempeln an sich. Der Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, eine vorherige Nikotinentwöhnung anzubieten (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 6. Mai 2010 – 10 Sa 712/09). Weder beim LAG Niedersachsen noch beim BAG verfing die Argumentation, ein Missbrauch bei der Arbeitszeiterfassung könne lediglich zu einem Herausfallen aus der gleitenden Arbeitszeit sowie der selbstständigen Zeiterfassung führen, aber keine Kündigung rechtfertigen (vgl. LAG Niedersachsen 18. Januar 2010 − 9 Sa 1913/08; BAG 9. Juni 2011 − 2 AZR 381/10). Teilweise argumentieren Arbeitnehmer außerdem vergeblich damit, dass sie während einer Pause, in der sie sich nicht ausgestempelt hatten, Arbeitsleistungen erbracht haben (ArbG München 22. Januar 2024 – 3 Ca 7542/23 und 22. Januar 2024 – 3 Ca 7544/23). Grundsätzlich möglich erscheinen hier beispielsweise interne Besprechungen sowie ein Austausch mit Kunden. Diese Umstände sind aber von den Arbeitnehmern darzulegen. Häufig kann eine solche Argumentation aber bereits aufgrund der Position und den Aufgaben des jeweiligen Arbeitnehmers ausgeschlossen sein – wie es auch in den Entscheidungen des Arbeitsgerichts München der Fall war.
Blick in die Praxis
In vielen Unternehmen kommt es zu Raucherpausen, die – vom Arbeitgeber unbemerkt – nicht als Arbeitszeit erfasst werden. Fällt das in der Belegschaft auf, werden sie häufig Gegenstand kontroverser Diskussionen und der Auslöser von Unmut bei den Kollegen. Um solche Diskussionen zu vermeiden und so letztlich die Zusammenarbeit aller zu fördern, besteht ein Interesse des Arbeitgebers an der Einhaltung und Durchsetzung der Erfassung solcher Pausen, die stichprobenartig kontrolliert werden kann. Eine korrekte Arbeitszeiterfassung ist darüber hinaus auch wichtig, um Konflikte und Reibungspunkte unter den Arbeitnehmern zu verhindern.
Wichtig ist zudem, dass Arbeitgeber klare Regelungen zur Arbeitszeiterfassung aufstellen. Nur so können Verstöße in letzter Konsequenz rechtssicher sanktioniert werden. Hinsichtlich möglicher Abmahnungen und Kündigungen sollte darauf geachtet werden, dass eine hinreichend substantiierte Darstellung des vorgeworfenen Verhaltens erfolgt – insbesondere hinsichtlich Zeit, Ort und der konkreten Umstände.
Dieser Beitrag wurde zuerst auf dem CMS-Blog veröffentlicht.